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Burgen gab es in unserem Raum schon in vor- und frühgeschichtlicher Zeit: sogenannte Fliehburgen, die ganzen Dörfern Schutz boten, wenn der Feind anrückte. Meist waren es hochgelegene Plätze, die durch ringförmige Erdwälle geschützt waren. In unseren Wäldern kann man hier und da noch Überreste dieser Wälle sehen.
Im frühen Mittelalter waren vor allem hölzerne Wehrbauten üblich. Aus diesen entstanden zwischen dem 10. und 12. Jahrhundert die steinernen Burgen der herrschenden Geschlechter - allein im deutschsprachigen Raum etwa 12 000. Sie dienten ihren Besitzern als Schutz gegen Feinde, als feste Wohnung und Verwaltungssitz. Für die Wahl des Bauplatzes war die Verteidigungsmöglichkeit am wichtigsten, und die bot sich nun einmal am besten auf hohen, schwer zu ersteigenden Bergen mit gutem Ausblick.
Bis zum 14. Jahrhundert erfüllten die Burgen ihren Zweck sehr gut. Das änderte sich schnell mit dem Import des Schießpulvers nach Europa um 1300 und der anschließenden Entwicklung der Feuerwaffen: Die Burgen waren der Artillerie nicht gewachsen. Daran änderte auch der Versuch nichts, die Mauern zu verstärken, Basteien und Rondelle anzulegen - die Wirkung der Geschütze überholte schnell alle baulichen Bemühungen der Burgherren.
Die meisten mittelalterlichen Burgen wurden zerstört. Vieles, was nicht vollends in sich zusammensank und von der Vegetation überwuchert wurde, diente später als bequemer Steinbruch. So blieb - außer einigen tausend Ruinen - bei uns wenig mehr erhalten als ein Dutzend mittelalterliche Burgen - etwa die sorgfältig restaurierte Burg Eltz unweit der Mosel und die Marksburg am Rhein.
Burg Eltz, in der Nähe von Cochem, ist ein verwirrendes architektonisches Durcheinander, hoch aufragend mit Türmen, spitzen Dächern, Giebeln und Erkern - und doch großartig in seiner Gesamtheit. Die Vielfalt rührt vor allem daher, dass sich vier Adelsfamilien den beengten Platz auf dem hohen Felsrücken teilen mussten - und jede baute gewissermaßen ihr Eigenheim hin. Da gab es nur Platz nach oben, in die Höhe. So wurde die Burg vom 12. bis zum 16. Jahrhundert immer größer und pittoresker.
Die Marksburg bei Braubach, ein wuchtiger Bau, erstreckt sich ebenfalls auf einem waldigen, 170 Meter hohen Berg. An dieser Anlage wurde seit dem 13. Jahrhundert gebaut. Die Befestigungen - Mauern, Türme, Basteien - wurden noch im 17. Jahrhundert angelegt; man hoffte, den Kanonenkugeln der Feinde auf diese Weise doch widerstehen zu können.
Allerdings gibt es viele Burgruinen, die man sich mit einiger Phantasie noch wohlgebaut vorstellen kann, bewohnt und belebt. Rührt es nicht romantisch an, wenn wir solche Bauwerke hoch oben auf steilem Fels sehen, umgeben von tiefem Wald? Wie schön muss es für die Rittersleute gewesen sein, so über den Wipfeln zu hausen! Der Blick aus jedem Turmfenster zeigte lindgrüne, idyllische Waldeswinkel ...
Indes, die Phantasie trügt. Keine Spur von grüner Idylle! Die Burgen standen damals meist auf kahlen Bergen: Die Ritter ließen nämlich den schönen Wald weitgehend abholzen. Denn nur so konnten sie sehen, wer sich ihrer Burg näherte; nur dann hatten sie freies Schussfeld.
Der Adel, der während des Mittelalters in seinen Burgen kaum Wert auf Wohnqualität gelegt hatte, bekam im 16. und 17. Jahrhundert mit dem Beginn der Neuzeit allmählich Lust, feudaler zu wohnen. Statt Burgen baute man nun Schlösser. Zunächst, in der Renaissance, versah man sie noch mit kriegerischem Beiwerk. In der Barockzeit verzichtete man auch darauf: Inzwischen war der Dreißigjährige Krieg ja vorbei - wer mochte sich noch zwischen dicken Mauern verstecken?