Der deutsche Wald kann mehr als rauschen

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Geschichte der Forstwirtschaft

Geschichte der Forstwirtschaft

Kapitel in: Geschichte der Forstwirtschaft

Die Dannensäer aus dem Nürnberger Reichswald

Flösserei
Der Nürnberger Reichswald im Jahr 1516, knapp 150 Jahre nach der Tannensaat durch Peter Stromeir: der 1368 fast zerstörte Wald steht nun wieder in der Pracht seiner Bäume. Im 16. Jahrhundert galt die Nürnberger Forstwirtschaft als die erfolgreichste weit und breit.

Ein halbes Jahrhundert vor Stromeirs ratsherrlicher Initiative - im Jahr 1305 - schrieb der Bologneser Petrus de Crescentiis in seinem »Opus Ruralium«, dem Werk vom Landbau, über die Tannen, Fichten und Lärchen, sie seien äußerlich zwar fast von gleicher Art wie andere Bäume auch, aber »sie wachsen durch ein Wunder von selbst«.

Und ausgerechnet dieses Teufelszeug, diese Tannen und Fichten, wollte Stromeir nun anpflanzen! Offenbar hatte ihm inzwischen jemand verraten, wo Nadelbäume ihre Samen tragen: in den scheinbar nutzlosen hölzernen Zapfen.

Alles, was dieser mittelalterliche Manager anpackte, geriet ihm ins Großartige - so auch sein Experiment mit den Nadelbäumen, für deren Anpflanzung er sich entschied, weil sie viel schneller wuchsen als Buchen oder gar Eichen. Zu Ostern 1368 begann er mit seinen Versuchen im Nürnberger Reichswald, einem schon reichlich heruntergewirtschafteten Gehölz, welches die Stadt vom deutschen Kaiser zum Lehen bekommen hatte. Stromeir hatte tonnenweise Tannen-, Fichten- und Kiefernzapfen sammeln lassen; deren Samen ließ er nun in den tief umgepflügten Boden streuen.

Zwar war er weitläufig mit einem Geschlecht verwandt, das etliche Forstmeister hervorgebracht hatte, aber eigene Erfahrung im Waldbetrieb besaß Stromeir nicht. Seine Erkenntnisse gewann er auf durchaus wissenschaftliche Art: durch Beobachtungen, Vergleiche und Schlussfolgerungen. So ließ er einen »Waldpflug« konstruieren, der den Boden tiefer aufbrach, als dies die Ackerpflüge schafften. Um seine Jungpflanzen zu schützen, ließ er gleichzeitig Birken säen. Die beschirmten zunächst die jungen Nadelbäume und wurden später einfach ausgehauen.

Nürnberg war damals eine der regsamsten, fortschrittlichsten Städte Europas. Und die waldbaulichen Maßnahmen des Ratsherrn fanden große Unterstützung; denn schnell hatten die anderen Handelsherren erkannt, dass sich mit der Waldaussaat Geschäfte machen ließen. Nürnberg exportierte neuen Wald - Samen »aller drei Sorten« - überallhin nach Europa. Wo immer Angst vor Holzmangel herrschte, fanden sich Käufer. Und die cleveren Nürnberger führten, ganz modern, nicht nur die Samen aus, sondern ein ganzes Saatprogramm mitsamt den Anleitungen zur Aufzucht. Nürnberger Fachleute reisten mit, um das Anpflanzen zu überwachen; das kam die Kunden weit teurer zu stehen als der Erwerb der Samen, war aber letztlich billiger, als wenn sie noch Zeit verloren hätten mit eigenen Experimenten.

Die »Dannensäer« waren gehobene Angestellte der Nürnberger Forstverwaltung. Sie konnten lesen und schreiben, wurden fürstlich bezahlt, gingen fein gekleidet und speisten mit ihren Auftraggebern. Es gab Stars unter ihnen wie Hans Schaller und Kunz Hülpühel, die mit Gefolge durch ganz Mitteleuropa reisten.

Das Pflanzgeschäft florierte bis zum Dreißigjährigen Krieg. 1423 wurde »Nürnberger Samen« im Frankfurter Stadtwald gesät, 1457 - auf Kaiser Maximilians ausdrücklichen Befehl - im Wienerwald, 1468 im Rheinland, 1483 im badischen Schwarzwald, 1485 in Ungarn, 1496 in Sachsen, 1514 in Holland, 1540 in Böhmen, 1547 bei Jülich, 1570 sogar in den österreichischen Alpen. Man benutzte vor allem Kiefernsamen, in zweiter Linie Samen von Fichten und Weißtannen. Der Nürnberger Reichswald, Stromeirs erstes Saatfeld, bestand ums Jahr 1500 zu mehr als zwei Dritteln aus Nadelbäumen, die man ausgesät hatte; davon waren drei Viertel Kiefern.

Im Jahr 1485 ließen zwei Großneffen von Peter Stromeir, die damals das Geschäft führten, sogar Lärchensamen aus dem Voralpenraum kommen, um damit im Reichswald zu experimentieren. Es gelang ihnen tatsächlich, die Lärche in Franken heimisch zu machen: Für die damalige Zeit war dies ein unerhörter Erfolg.

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