Der deutsche Wald kann mehr als rauschen

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Geschichte der Forstwirtschaft

Geschichte der Forstwirtschaft

Kapitel in: Geschichte der Forstwirtschaft

Die erste Inventur in den Memminger Wäldern

Bei drastisch steigendem Holzbedarf führt primitiver Plenterbetrieb zwangsläufig zu Raubbau, der natürlich böse Folgen hat.

Das wurde Michael Schwegelin schnell klar, als er 1540 in der oberschwäbischen Reichsstadt Memmingen zum »Hofmeister des unteren Spitals« ernannt wurde. Der Waldbesitz des Spitals war heruntergewirtschaftet, Raubbau und unkontrollierte Waldweide, die keinen Nachwuchs aufkommen ließ, hatten die Bestände ruiniert.

Gutachten
Ein Gutachten, das Michael Schwegelin 1575 erstellte, wie seine Unterschrift verrät, enthält Überlegungen, was man mit den Wäldern des unteren Spitals in Memmingen machen könnte, damit sie wirtschaftlicher würden.

Dergleichen Erscheinungen waren zu jener Zeit üblich. Ein wirksames Gegenmittel wäre vielleicht gewesen, die Wälder vollends abzuholzen und nach Peter Stromeirs Verfahren neu anzupflanzen; aber diese Idee gefiel Schwegelin nicht besonders: Ihre Realisierung hätte bedeutet, dass das Spital nach dem Kahlschlag auf Generationen hinaus keinen Wald mehr gehabt hätte, der diesen Namen verdiente. Kurzum, die Methode, Wälder alle 100 Jahre verkommen zu lassen, um sie dann neu anzupflanzen, wollte Schwegelin nicht einleuchten. Er dachte sich das anders. Man müsste, dachte er, mit dem Wald umgehen wie ein wohlhabender Bürger mit seiner Dukatenkiste: Was man braucht, nimmt man heraus; aber man muss zugleich dafür sorgen, dass alsbald Neues hineingelegt wird, damit die Kiste sich nicht leert.

Simon der Eiferer, einer der zwölf Apostel, wurde Patron der Holzfäller. Der Legende nach sägten ihn wütende Priester in Stücke, als er in Persien missionierte. Eine Darstellung von Lucas Cranach aus dem Jahr 1539.

Weil man dazu aber wissen sollte, wieviel in der Kiste überhaupt drin ist, ging Schwegelin daran, im Wald Inventur zu machen. Dann stellte er Pläne auf, wie die Wälder Jahr für Jahr zu kontrollieren wären. Seine dritte - und die schwierigste - Aufgabe war, die Bauern davon abzubringen, mit den Wäldern umzugehen, als seien sie unerschöpflich.

Zum Erfassen und auch zum Kontrollieren dachte sich Schwegelin ein System aus, das noch heute oft angewandt wird. Er ließ jedes Waldstück genau vermessen und teilte es in Abteilungen; hierauf suchte er sich in jeder Abteilung einen »Mittelstamm«, sozusagen den Durchschnittsbaum, dessen Rauminhalt er errechnete, um ihn mit der Zahl der Stämme in der Abteilung zu multiplizieren. So konnte er, ziemlich genau, den Holzbestand jedes Waldstücks ermitteln.

Als nächstes legte er eine durchschnittliche »Umtriebszeit« fest. Das ist die Zeit, nach der ein Baum hiebreif wird. Schwegelin setzte dafür durchschnittlich 42 Jahre an (was uns heute allerdings als viel zu kurz erscheint). Anhand dieser Daten bestimmte er die Menge, die jährlich geschlagen werden durfte, ohne dass der Bestand gefährdet wurde.

Das Schicksal wollte es, dass Schwegelin gerade eine Umtriebszeit lang - 43 Jahre - im Amt blieb. Er durfte miterleben, wie sein System sich bewährte: Als er 1583 starb, waren die Memminger Wälder die prächtigsten weit und breit.

Michael Schwegelin war tüchtig und erfolgreich - beliebt war er nicht. Denn neben seinen Vermessungen, Statistiken und Hiebplänen stellte er lange Listen von Verordnungen zusammen, um die Wälder zu schützen. Den Bauern gefiel dieses Reglementieren ganz und gar nicht. Pferde, Schafe und Ziegen sollten von der Waldweide ausgeschlossen werden, weil sie nicht nur ins Gras, sondern auch ans Holz gingen? Es sei nötig, sich an genaue Pläne für Neupflanzungen und Verjüngungen zu halten? Wer einen Baum fälle, müsse auch das abgehackte Reisig aus dem Wald schaffen, damit der Jungwuchs besser durchkäme?

Als Schwegelin in einer hitzigen Debatte darauf hinwies, dass es mit der Raubwirtschaft im Wald nicht ewig weitergehen könne, entgegnete ihm empört der Bürgermeister von Steinheim (das gleich nördlich von Memmingen liegt), »es sey Holz genug, diwil wir leben«.

Holzernte
Holzernte im Jahre 1687.

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