Der deutsche Wald kann mehr als rauschen

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Handwerkszeug

Kapitel in: Handwerkszeug

Ein Dekret des Zaren

Auf dem Zimmerplatz, beim Bau von Schiffen und Häusern wurde die Säge seit dem frühen Mittelalter ganz selbstverständlich benutzt. Nicht so im Wald: Dort war sie bis zum Ende des 16. Jahrhunderts verpönt. Und noch im 19. Jahrhundert waren Sägen in vielen Wäldern Europas als Arbeitsgerät völlig undenkbar. Handwerkszeug

Waldarbeiter-Handbuch von Forstmeister Kofier Das Waldarbeiter-Handbuch von Forstmeister Kofier zeigt, wie man einen gefällten und entasteten Stamm korrekt ablängt und wie ein Schränkeisen zum Biegen der Sägezähne beschaffen ist.

Dabei musste allen Einsichtigen klar sein, dass sich mit einer Säge oft wirtschaftlicher arbeiten lässt als mit einer Axt - nicht unbedingt schneller, aber ohne den enormen Abfall an Holz, den die Axt produziert. Deshalb versuchten Waldbesitzer immer wieder, die Säge im Forst wenigstens zum Kleinschneiden der Stämme - zum »Ablängen« - einzuführen. In Russland dekretierte Zar Peter der Große im Jahr 1701, die Holzknechte sollten seinetwegen neun Klafter Holz hacken - aber wenigstens den zehnten Klafter sollten sie sägen: damit sie überhaupt lernten, wie das ginge.

Es nutzte nicht viel. Noch 1850 schickte die Forstverwaltung Perm am Ural einen Brief an den Zarenhof, worin zu lesen stand, die empfohlenen Sägen seien leider lausig unpraktisch. Während die Axt nur einen Arbeiter brauche, benötige die Säge zu ihrer Bedienung jeweils deren zwei. Trotzdem: Forstleute, die zu rechnen verstanden, plädierten beizeiten für die Verwendung der Säge. Es ging ihnen nicht um die Arbeitszeit (die spielte damals nur eine untergeordnete Rolle), auch nicht um menschengerechte Arbeitstechnik - es ging ihnen schlichtweg ums Holz. Beim Durchhacken mit der Axt ging einfach zuviel verloren.

Baron Sternbach, Besitzer der Salzsiedereien im österreichischen Salzkammergut, wollte 1759 Sägen einführen - »zu mehrer Holzersparung«. Aber im ganzen Salinenamt gab es keine Menschenseele, die mit der Säge umgehen konnte. Zwei Holzknechte wurden in die Fremde geschickt, damit sie es lernten.

Als sie zurückkamen, beherrschten sie nicht nur das Sägen, sondern auch das Feilen - also das Schärfen der Sägezähne. Eine belangreiche Kenntnis: denn davon, dass sie vernünftig geschärft waren, hing ab, ob die Forstarbeiter den Umgang mit der Säge akzeptierten. Mit einer stumpfen Säge zu arbeiten ist eine Qual.

Die Holzknechte, die ins Salzkammergut zurückkehrten, brachten sechs Sägen mit, die sofort ausprobiert wurden. Das Ergebnis besagt vor allem, dass die Holzknechte mit ihren Äxten wahre Berserker gewesen sein müssen. Denn laut Prüfbericht waren ungeübte Arbeiter, wenn sie sägten, um ein Drittel langsamer, als wenn sie mit der Axt dreinfuhren. Selbst geübte Säger kamen mit dem Axtschwingen nicht mit. Es waren also mitnichten Gründe der Zeitersparnis, die das Salinenamt bewogen, bei einem Schmiedemeister 120 Sägen zu bestellen - 30 große, 40 mittlere, 50 kleine. Der Gedanke, dass sich Holz nicht nur in Stücke hauen, sondern auch zersägen lässt, griff allmählich Platz in den Holzknechtgehirnen.

Indes musste die Obrigkeit doch immer wieder nachhelfen. Eine Waldordnung für das Gebiet ob der Enns legte 1802 fest, dass jeder, der Brennscheiterholz aus dem kaiserlich-königlichen Forst bekomme, dieses mit der Säge zu zerkleinern habe. Wer weiterhin die Axt benutze, habe kein Anrecht mehr auf kaiserlich-königliches Holz.

Nochmals länger dauerte es, bis man die Säge auch zum Fällen der Bäume benutzte. Das hatte allerdings gute Gründe. Ein Baum wird - eine Übung, die seit tausend Jahren stets dieselbe ist - so gefällt, dass man ihn zunächst tief einkerbt. Die Kerbe bestimmt die Richtung, in welche der Baum fallen soll. Dann wird der Stamm von der anderen Seite her durchgetrennt.

Bis die modernen Motorsägen sich halbwegs ausgereift zeigten - und das war nicht vor 1930 der Fall -, galt die Axt unbestritten als das bestgeeignete Werkzeug, die Kerbe anzulegen. Wenn man die Axt aber schon in der Hand hatte - was hinderte dann, mit ihr auch gleich von der anderen Seite her den Stamm durchzuhacken? Wozu erst noch das Werkzeug wechseln?

Kam hinzu: die ersten Handsägen, mit denen im Forst gearbeitet wurde, waren fürs Fällen nicht eben optimal geeignet. Ihre Blätter waren zu breit. Und nur Sägen mit schmalem Blatt lassen es zu, dass man gleich hinter dem Blatt Keile in den Sägeschnitt treiben kann, die ihn offenhalten. Ist das nicht möglich, so drückt der Baum mit seinem ganzen Gewicht aufs Blatt, und die Säge klemmt.

Kurz: für das Fällen war die Säge lange Zeit nicht das rechte. Viele Forstverordnungen verboten ihren Einsatz sogar; denn oft wurden die Sägen unbrauchbar, stumpf, ihre Blätter verbogen sich und rissen - ein kostspieliges Malheur.

Aber es gab auch unsinnige Argumente, die sich nur aus gefühlsmäßigen Widerständen, aus Aversionen erklären lassen. Das passiert immer wieder, wenn nützliche Apparate noch ungewohnt und gar ein bisschen kompliziert sind. Der Franzose du Hamel du Monceau notierte sich im Jahr 1766: »Die Forstordnung verbietet ausdrücklich, Bäume umzusägen, weil, wie diese sagt, hierdurch ein beträchtlicher Schaden an den künftigen Trieben der Stöcke geschieht.«

In vielen Gegenden, muss man wissen, war es damals nämlich üblich, Kahlschläge mit anschließender Niederwaldkultur anzulegen. Das bedeutet: man ließ die stehengebliebenen Stöcke erneut austreiben. So wuchs in wenigen Jahren eine Art von Buschwerk aus kräftigen Ruten nach. Die eigneten sich zum Flechten von Weidezäunen und für Wände in Fachwerkbauten, aber auch als Brenn- und Köhlerholz. Die Niederwaldwirtschaft sparte also fürs erste Neuaussaat und Jungwuchspflege. (Sie funktioniert allerdings nur bei Laubholz, nicht im Nadelwald.)

Du Hamel traute den Argumenten der Forstleute nicht. »Ich wollte doch«, räsonierte er mit dem Unabhängigkeitsstreben des wahren Wissenschaftlers, »gewiß erfahren, ob das Abschneiden mit der Säge den Bäumen großen Schaden brächte, und wählte dazu eine starke und gesunde Ulme, die fünf oder sechs dicke Äste hatte. Einige davon ließ ich mit der Axt wegnehmen, die anderen aber absägen und von jedem Ast einen Stumpf sieben bis acht Zoll lang stehen. Alle diese Äste haben, einer wie der andere, fast mit gleicher Stärke wieder ausgetrieben. Mit dem Unterschied, dass an den abgehauenen Ästen einige Triebe zwischen dem Holz und der Rinde hervorkamen, an den abgesägten die Triebe aber unmittelbar an der Rinde ungefähr einen Zoll unter dem Schnittpunkt. Ich sehe also keinen großen Schaden, wenn man die Bäume unten an der Erde glatt absägt. Durch dieses Mittel würde man alles Holz sparen, das beim Fällen der Bäume mit der Axt in die Späne geht und fast nichts nutzt.«

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